«Für Eure und für unsere Freiheit»: Karl Schlögel zu Gast in Bern
Zum Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine hält der renommierte Osteuropa-Historiker Karl Schlögel am 24. Februar 2023 einen Vortrag in der Gesprächsreihe «Zeitgedanken» der Burgergemeinde und der Universität Bern. Die Veranstaltung bildet zugleich den Auftakt der Friedrich Dürrenmatt Gastprofessur für Weltliteratur, die Karl Schlögel in diesem Frühjahrssemester an der Universität Bern innehat.
Karl Schlögel, geboren 1948, ist einer der führenden Osteuropa-Historiker der Gegenwart. Er lehrte bis 2013 als Professor für Osteuropäische Geschichte. Er ist einer der profiliertesten Kenner des postsowjetischen Europa. In seiner Publikation «Entscheidung in Kiew. Ukrainische Lektionen» machte er 2015 auf die russische Aggression und die Bedeutung der Ukraine für Europa aufmerksam. Die Publikation erschien 2022 in aktualisierter Neuauflage. Für sein Buch «Das sowjetische Jahrhundert. Archäologie einer untergegangenen Welt» erhielt er 2018 den Leipziger Sachbuchpreis.
Aus Anlass des Jahrestages der russischen Invasion wird Karl Schlögel in der Veranstaltungsreihe «Zeitgedanken» einen Vortrag mit dem Titel «Für Eure und für unsere Freiheit. Europa ein Jahr nach dem russischen Angriff auf die Ukraine» halten. «Ein Jahr barbarischer russischer Kriegführung – Massenmorde, Folter, Vergewaltigung, Bombardierung von Wohnvierteln, Krankenhäusern, Kulturdenkmälern, Nuklearanlagen als Kriegsgelände», so schreibt der Osteuropa-Historiker zu seinem Referat. «All das geschah und geschieht unter unseren Augen, Tag für Tag. Millionen sind auf der Flucht, die Lebensgrundlage einer ganzen Nation wird systematisch zerstört, Städte der Kälte und dem Dunkel des Winters ausgeliefert, um ein grosses europäisches Land unbewohnbar zu machen. Vielen ist klar geworden, dass der Ausgang des Kampfes der Ukraine gegen die russische Aggression auch über die Zukunft Europas entscheiden wird. Die Frage ist, ob Europa der grössten Prüfung seit Ende des Zweiten Weltkriegs standhalten wird.»
Veranstaltungsreihe Zeitgedanken
Die Veranstaltungsreihe «Zeitgedanken» wurde 2022 gemeinsam von der Burgergemeinde Bern und der Universität Bern ins Leben gerufen. In loser Folge werden internationale Persönlichkeiten eingeladen, zu Fragen unserer Zeit Stellung zu beziehen. «Es ist uns eine grosse Ehre, Karl Schlögel für die Veranstaltung der ‹Zeitgedanken› in Bern begrüssen zu können. Er ist eine wichtige Stimme in Hinsicht auf die historische Einordnung der Geschehnisse der vergangenen 12 Monate», sagt Christophe von Werdt, Initiator der Veranstaltungsreihe und Burgergemeindevizepräsident.
Friedrich Dürrenmatt Gastprofessur für Weltliteratur
Der «Zeitgedanken»-Vortrag ist zugleich die Auftaktveranstaltung der Friedrich Dürrenmatt Gastprofessur für Weltliteratur, die Karl Schlögel im Frühjahrssemester 2023 in Bern übernimmt. Die Gastprofessur wurde im Frühjahr 2022 während des russischen Angriffs für ein Semester ausgesetzt, die nun nachgeholt wird. «Auch Geschichtsschreibung ist Literatur», sagt Projektleiter Oliver Lubrich, «und bei Karl Schlögel hat sie eine besondere Dringlichkeit.» Zusammen mit den Studierenden freut sich der Professor für Komparatistik darauf, «von einem führenden Experten zu lernen – über die sowjetische Vergangenheit und die russische Gegenwart, über die kulturelle Vielfalt der Ukraine und den Versuch, sie zu zerstören.» In seiner wöchentlichen Vorlesung an der Universität wird Karl Schlögel über die Gewaltgeschichte der Ukraine seit dem 20. Jahrhundert und über die gegenwärtige «Neuvermessung Europas» sprechen.