Diversität im Alter als inter- und transdisziplinäres Forschungsfeld

Ausgangslage

Die Relevanz der Auseinandersetzung mit Alter, Alterungsprozessen und dem Umgang mit demographisch bedingten Altersverteilungen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und wird in Zukunft noch weiter zunehmen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung damit spielt eine zentrale Rolle und, obwohl die Gerontologie ein vergleichsweise junges Forschungsfeld ist, ist ein Zuwachs an Forschungsaktivitäten rund um Altersfragen zu verzeichnen. Die Interdisziplinarität ist dabei inhärent, was leicht an unterschiedlichen Konzeptualisierungen von Alter verdeutlicht werden kann:

  • Alter, verstanden als Alterungsprozesse, ist Teil des biologischen und medizinischen Forschungsfelds;
  • sozialwissenschaftlich relevant sind die Folgen des Alters in Hinblick auf die gesellschaftliche Stellung der Personen und bspw. die Organisation von sozial- und gesundheitsrechtlichen Sicherungssystemen;
  • historisch ist von Interesse, wie und wovon begleitet sich die Vorstellungen von Alter und der Umgang mit alten Personen gewandelt haben;
  • die sprachlichen Charakteristika oder auch das Aushandeln von Alter als eine dynamische Grösse in der Interaktion reicht in linguistische Fragestellungen;
  • nicht zuletzt wird der Bezug zur Psychologie in allen genannten Bereichen deutlich.

Dabei wird Alter nicht als eine statische Grösse verstanden, sondern als an unterschiedlichen Prozessen und Veränderungen beteiligt, womit die Vorstellung von der Diversität des Alters und dem wissenschaftlichen Wunsch, diese zu beschreiben und ggf. zu modellieren einhergeht. Ein Austausch zwischen den Disziplinen ist somit eine Notwendigkeit, um der Komplexität des Forschungsgegenstandes gerecht werden zu können.

An der Universität Bern sind Aktivitäten rund um das Alter in diversen Disziplinen und Fakultäten unterschiedlich ausgeprägt und in der Gesamtsumme recht zahlreich vertreten, es fehlt jedoch die Möglichkeit, sich disziplinenübergreifend auszutauschen, existente Programme zu bündeln und den Austausch zwischen den Akteuren zu fördern. Dies gilt besonders für die geisteswissenschaftlichen Fächer, deren Aktivitäten rund um das Themenfeld des Alter(n)s bislang nicht vernetzt waren.  

Ziele der Forschungsplattform

Das Ziel der neuen Forschungsplattform ist vor diesem Hintergrund, eine Struktur zu schaffen, die es ermöglicht, die bisherigen Aktivitäten in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern zu bündeln, zunächst einen internen Austausch zu ermöglichen, um in diesem ersten Schritt innerhalb der Geistes- und Sozialwissenschaften interdisziplinäre neue Kooperationen eingehen zu können und zugleich die bisherigen Aktivitäten in der Zusammenführung auch über die beteiligten Fächer hinaus sichtbar zu machen.

Dies führt zum zweiten Schritt: Mit Hilfe einer stärkeren Visibilität und Vernetzung sich als attraktiven Partner für weitere interfakultäre, interuniversitäre und transdisziplinäre Kooperationen zu präsentieren, woraus im Idealfall gemeinsame Forschungsideen und Drittmittelanträge entstehen.

Ein weiteres Ziel ist es, Studierende, Promovierende und junge Wissenschaftler*innen einzubeziehen, um Nachwuchswissenschaftler*innen für dieses sozial relevante interdisziplinäre Forschungsfeld zu sensibilisieren. Dies soll über Formate geschehen, an denen sie aktiv beteiligt sind, wie im Projekt UnVergessen, in Kolloquien und als aktive Teilnehmer*innen von Workshops, Summerschools und Konferenzen.

Geplante Aktivitäten

Die Aktivitäten der Forschungsplattform sind über einen Zeitraum von drei Jahren (2024-2026) geplant und starten mit der Vernetzung von an Altersthemen interessierten Forschenden im geisteswissenschaftlichen Bereich. Hier sollen gemeinsame interdisziplinäre Lehrveranstaltungen und wissenschaftliche Formate den Austausch herstellen. In einem nächsten Schritt ist die Ausdehnung auf weitere Disziplinen avisiert, die in Formaten wie interdisziplinären Summerschools oder auch einer Ringvorlesung zum Thema Diversität im Alterzusammenkommen können. Wissenschaftliche Veranstaltungen mit Workshopcharakter, Konferenzen, Vernetzungen und idealerweise die Arbeit an gemeinsamen weiterführenden Forschungsprojekten sollen auf diese Weise angeregt werden.

Die interdisziplinäre Vernetzung baut auf dem bereits eingeführten und im Frühjahrsemester 2024 erstmalig durchgeführten Projekt UnVergessen  auf, das ein wiederkehrendes Element mit studentischer Beteiligung und Lehrbezug in den Aktivitäten ist. Es soll in Zukunft jeweils im Frühjahrsemester angeboten und durch mindestens ein zweites, wissenschaftlich ausgerichtetes Event (Workshop, Summerschool, Konferenz) im Sommer/Herbst ergänzt werden.

Verantwortlich


Universität Bern, Institut für Slavische Sprachen und Literaturen:

Katrin B. Karl ist Professorin für Slavistische Sprachwissenschaft am Institut für Slavische Sprachen und Literaturen an der Universität Bern. Der Schwerpunkt ihrer Forschung liegt in der slavisch-deutschen Mehrsprachigkeit sowie zu Sprache im Alter bei Mehrsprachigkeit und unter Pflegebedürftigkeit mit der Leitfrage der Bedeutung von Sprache(n) in sozialen Kontexten. Initiatorin des Projekts UnVergessen.

Aldona Rzitki ist Assistentin und Doktorandin in slavischer Sprachwissenschaft am Lehrstuhl von Prof. Dr. Katrin Bente Karl an der Universität Bern. Der Schwerpunkt ihrer Forschung umfasst die Bedeutung einer lebenslangen Mehrsprachigkeit im hohen Alter. Sie ist Mitglied der GSH und Teilnehmerin am Doktoratsprogramm Studies in Language and Society, sowie Mitarbeiterin im Projekt UnVergessen.

Maria Chevrekouko ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Koordinatorin im Projekt UnVergessen und Russischlektorin an der Universität Basel. Neben der pädagogischen Tätigkeit liegen ihre Interessenschwerpunkte in Kulturvermittlung, literarischem Übersetzen und intergenerationellem Spracherwerb.


Universität Bern, Historisches Institut:

Francesca Falk ist Dozentin für Migrationsgeschichte an der Universität Bern. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen die Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, Migration, Machtverhältnisse, Geschlechtergeschichte, Protest, Kolonialismus und seine Nachwirkungen, Geschichte als transformative Wissenschaft, Public, Visual und Oral History.


Universität Bern, Institut für Germanistik:

Adrian Leemann ist Ordentlicher Professor für Deutsche Soziolinguistik an der Universität Bern. Seine Forschungsinteressen umfassen eine breite Palette linguistischer Themen, insbesondere im Schnittbereich von Sprache und Gesellschaft und neuen Methoden der linguistischen Datenerhebung- und Aufbereitung.


Berner Fachhochschule, Departement Gesundheit:

Eva Soom Ammann, zugleich assoziierte Forscherin am Institut für Sozialanthropologie, ist habilitiert in Medizinanthropologie am Institut für Sozialanthropologie der Universität Bern. Sie leitet an der BFH im Fachbereich Pflege die Forschungsgruppe Psychosoziale Gesundheit und ist verantwortlich für verschiedene Projekte in der angewandten Forschung und Entwicklung sowie in der Grundlagenforschung zu Alter, Diversität und Ungleichheit im Gesundheitssystem.

Aktivitäten

Frühjahr 2024:

Erste Durchführung von UnVergessen als praxisorientierte interdisziplinäre Lehrveranstaltung mit Studierenden der Fachrichtungen Sprachwissenschaft, Geschichte, Slavistik u.a. 

Sommer 2024:

Lumid-Workshop: Linguistic Understanding of Multilingualism in Dementia, mit Beteiligung internationaler Forschender und starkem Fokus auf empirischer Forschung und Vernetzung im Bereich Mehrsprachigkeit und Demenz.

Herbstsemester 2024:

Übung zum Projekt UnVergessen: Alter als inter-und transdisziplinäres Forschungsfeld    

Vorlesung Sprache und Gesundheit

Frühjahr 2025:

UnVergessen (inter- und transdisziplinäres Projekt), zweiter Durchlauf der praxisorientierten Lehrveranstaltung mit Studierenden der Fachrichtungen Sprachwissenschaft, Geschichte, Slavistik, Germanistik u.a. 

Sommer 2025 (in Planung):

Interdisziplinäre Summerschool Stand, Herausforderungen und Perspektiven der inter- und transdisziplinären Forschung zu Diversität im Alter, mit beteiligten Akteuren und neuen Interessierten, insbesondere Nachwuchswissenschaftler*innen.